Frankreich und die Niederlande
Politische Beziehungen
Unsere bilateralen Beziehungen haben sich auf allen Ebenen verstärkt und eine wachsende Zahl gemeinsamer Initiativen hervorgebracht. Heute sind die Niederlande ein wichtiger Partner Frankreichs, insbesondere in europäischen Fragen. Dazu zählen beispielsweise das Eintreten für Werte (Rechtsstaatlichkeit, Gleichstellung der Geschlechter, Meinungsfreiheit) innerhalb der Europäischen Union und darüber hinaus, aber auch für die Finanzmarktunion und die Bankenunion. Die beiden Länder haben sich weiterentwickelt und teilen eine zunehmend konvergierende Sichtweise: Während die Niederlande sich der französischen Linie angenähert haben (u. a. zugunsten einer strategischen Autonomie bei gleichzeitiger Unterstützung einer offenen EU-Handelspolitik, die gezielte Maßnahmen zum Schutz europäischer Unternehmen umfasst), findet die Anpassung unserer Standpunkte zur Haushaltsdisziplin heute in Den Haag stärker Gehör.
Strukturgebend für die Stärkung unserer politischen Partnerschaft war die Unterstützung einer Erklärung vom 31. August 2021 durch den französischen Staatspräsidenten und den niederländischen Premierminister. Der Staatsbesuch des französischen Staatspräsidenten am 11. und 12. April 2023 konsolidierte diese Partnerschaft und die zahlreichen Aussichten auf eine Zusammenarbeit. Der französische Staatspräsident hielt bei dieser Gelegenheit eine Rede über die Säulen unserer europäischen Souveränität und die Herausforderungen im Bereich der Wirtschaftssicherheit, mit denen die EU konfrontiert ist. Bei diesem Staatsbesuch fand auch die zweite Sitzung des Regierungsseminars (nach einer ersten Auflage im März 2022 in Paris) zu verschiedenen zentralen Themen unserer Partnerschaft (Verteidigung, Wirtschaft, Innovation, Energie, Forschung) statt.
Französische Präsenz
Französische Gemeinschaft: 23.251 eingetragene Personen (2022)
Niederländische Gemeinschaft in Frankreich: 60.000 Personen
Generalkonsulat: Amsterdam (Honorarkonsuln: Middelburg, ’s-Hertogenbosch, Groningen, Maastricht, Nijmegen, Rotterdam, Utrecht, Aruba, Curaçao und Sint Maarten
Besuche
Frankreich und die Niederlande pflegen häufige bilaterale Kontakte, die in Form von zahlreichen bilateralen Konsultationen bzw. Gesprächen auf Ministerebene stattfinden. Es besteht ein regelmäßiger Austausch auf höchster Ebene. Am 11. und 12. April fand ein Staatsbesuch des französischen Staatspräsidenten in den Niederlanden statt, der auf einen Besuch des niederländischen Königspaars in Paris im März 2016 folgte. Bei diesen wechselseitigen Besuchen wurden unsere menschlichen, politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen sowie unsere Ambitionen im Verteidigungsbereich hervorgehoben und verstärkt.
Außerdem fand bei dieser Gelegenheit das oben erwähnte zweite Regierungsseminar im Beisein des französischen Staatspräsidenten, des niederländischen Premierministers und mehrerer Minister beider Länder statt. Dabei konnte die bilaterale Partnerschaft durch eine gemeinsame Erklärung gestärkt werden, die die gemeinsamen Ziele weiter konkretisierte. Bei dieser Gelegenheit wurden eine Reihe von Abkommen unterzeichnet, darunter ein Pakt für Innovation und nachhaltiges Wachstum zwischen den beiden Arbeitgeberorganisationen MEDEF und VNO.
Auch auf Ministerebene finden häufig Gespräche statt. Die französische Ministerin für Europa und auswärtige Angelegenheiten trifft im bilateralen und multilateralen Rahmen regelmäßig mit ihrem niederländischen Amtskollegen zusammen. So sprach Außenminister Wopke Hoekstra im Juli 2022 in Paris mit der Ministerin für Europa und auswärtige Angelegenheiten, Catherine Colonna, und der Staatssekretärin für Europa, Laurence Boone. Im erweiterten Format finden abwechselnd in Frankreich und in den Niederlanden ebenfalls regelmäßige Begegnungen statt, die einen Austausch zu europäischen Themen ermöglichen und einen offenen, vertrauensvollen Dialog über die Zukunft der EU und der beiden Länder fördern.
Botschafter/Botschafterin
Französischer Botschafter in den Niederlanden: François Alabrune (seit September 2022)
Niederländischer Botschafter in Frankreich: Jan Théophile Versteeg (seit September 2022)
Wirtschaftsbeziehungen
Frankreich und die Niederlande sind wichtige Wirtschaftspartner, wobei die Niederlande von diesen Wirtschaftsbeziehungen deutlich stärker profitieren. Mit einem Handelsvolumen von 63 Mrd. € Mitte 2022 sind die Niederlande Frankreichs achter Handelspartner, sein siebter Abnehmer und gleichzeitig sein siebter Lieferant. Umgekehrt ist Frankreich für die Niederlande der drittgrößte Abnehmer und der sechstwichtigste Lieferant. Frankreichs strukturell defizitäre Handelsbilanz hat sich ab 2016 stark verschlechtert und wiederum 2022 leicht verbessert. Derzeit handelt es sich um das siebtgrößte Außenhandelsdefizit Frankreichs. Mit einem Bestand von 106 Mrd. € ADI im Jahr 2022 waren die Niederlande der drittgrößte Auslandsinvestor in Frankreich. Die niederländische Präsenz in Frankreich umfasst mehr als 1000 Niederlassungen mit einem Umsatz von 48 Mrd. €, die über 150.000 Mitarbeiter beschäftigen. Diese Präsenz spiegelt die großen Stärken der niederländischen Wirtschaft wider: Nahrungsmittel (Heineken, Wessanen, Hendrix Genetics), Vertrieb (Action, Hema, Zeeman), Chemikalien/Arzneimittel (SHV, Akzo-Nobel), Elektronik (Philips), Mineralölprodukte (Shell), Logistik und Transport (TNT usw.) und Finanzdienstleistungen (ING, ABN AMRO). 2021 riefen die Niederlande 103 Investitionsinitiativen in Frankreich ins Leben, bei denen 1.600 Arbeitsplätze geschaffen wurden. Ein Drittel von ihnen betrifft die Sektoren Sport und Freizeitaktivitäten. Die Niederlande sind zudem der führende Investor im Bereich der Nahrungsmittelindustrie in Frankreich.
Die gegenseitigen Investitionen zeugen außerdem von der Standortattraktivität der Niederlande und den engen Banden zwischen beiden Ländern. 2022 waren die Niederlande mit 191 Mrd. € das zweitwichtigste Empfängerland für französische ADI im Bestand, und auch die französische Präsenz in den Niederlanden ist signifikant. Nahezu 1500 Tochtergesellschaften französischer Unternehmen beschäftigen knapp 137.000 Mitarbeiter und erwirtschaften einen Umsatz von 53 Mrd. €, darunter speziell im Verkehr (Air France KLM, Transdev, Renault, Peugeot usw.), in der Energie (Engie, Total, Air Liquide, Schneider), Abfallbehandlung und Kreislaufwirtschaft (SUEZ, Véolia) und in der Nahrungsmittelindustrie (Danone). Die Luftfahrtgruppe Air France-KLM steht als Symbol für die bilaterale Wirtschaftskooperation zwischen Frankreich und den Niederlanden.
Zusammenarbeit in den Bereichen Kultur, Wissenschaft und Technik
Unsere bilaterale Zusammenarbeit in der Wissenschaft erfolgt hauptsächlich im Rahmen des Europäischen Forschungsraums (Frankreich ist der viertwichtigste wissenschaftliche Partner der Niederlande). Die Hochschulkooperation ist rund um das französisch-niederländische Hochschulnetzwerk (Réseau universitaire franco-néerlandais, RFN) organisiert, das in Frankreich die Universität Lille III einschließt. Die meisten französischen Forschungszentren (CNRS, INRA, IFREMER, INSERM, ANVAR) haben mit ihren niederländischen Pendants Abkommen unterzeichnet. Unsere Aktionen stützen sich auf die französisch-niederländische Arbeitsgruppe in Wissenschaft und Technik, das RFN und die 1997 eingeführte Hubert-Curien-Partnerschaft „Van Gogh“ zur Förderung der Mobilität der Forscher. Beim Staatsbesuch wurden außerdem neue wissenschaftliche Kooperationen initiiert (INRIA und CWI, CEA und TNO, Ifremer und die Universität Wageningen, Frankreich-Initiative der TU Delft).
Der Descartes-Huygens-Preis zeichnet seit 1995 jedes Jahr einen französischen und einen niederländischen Forscher aus, und das 2011 ins Leben gerufene Descartes-Stipendienprogramm für Spitzenleistungen vergibt Jahr für Jahr neun bis zehn Stipendien (durchschnittliche Höhe: 9000 €) zur Finanzierung von Master- und Doktoratsstudien.
Französisch ist nach wie vor die dritte Fremdsprache in den Niederlanden und wird weitgehend unterrichtet (18 % der Schülerinnen und Schüler im Abschlussjahr und 43 % der Schülerinnen und Schüler in wissenschaftlichen Schulzügen legen eine Abschlussprüfung in Französisch ab). Vier Universitäten haben Fakultäten für französische Sprach- und Literaturwissenschaft. Auch ein Programm für Fremdsprachenassistenten wurde eingerichtet. Das umfangreiche Netzwerk der 33 Alliances françaises erteilt jährlich mehr als 8000 Schülerinnen und Schülern Französischunterricht.
Die kulturelle Zusammenarbeit basiert auf niederländischen Veranstaltern (Festivals, Museen) und bietet dem Publikum französische Kreationen an, beispielsweise im Film, in der Architektur oder Bildhauerei. Diese Zusammenarbeit erfolgt meist direkt zwischen den großen Institutionen beider Länder (Rijksmuseum, Louvre, Van-Gogh-Museum, Concertgebouw, Oper usw.).
Die 20. Erasmus-Descartes-Konferenz, organisiert von der niederländischen Botschaft in Frankreich in Zusammenarbeit mit der französischen Botschaft in den Niederlanden, fand im November 2022 in Paris zum Thema der nachhaltigen Luftfahrt statt. Diese Konferenz ist einer der Höhepunkte der französisch-niederländischen Zusammenarbeit im wissenschaftlichen, universitären und wirtschaftlichen Bereich und versteht sich auch als Plattform des Dialogs zwischen den Zivilgesellschaften beider Länder.
Weitere Formen der Zusammenarbeit
Grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf der Insel St. Martin (Sint Maarten auf Niederländisch) – Die seit dem Vertrag von Concordia 1648 zwischen Frankreich und den Niederlanden aufgeteilte Antilleninsel St. Martin ist ein einzigartiges Beispiel für „europäische“ territoriale Zusammenarbeit.
Dieser Vertrag erkennt die geteilte Souveränität im Hinblick auf die Grenzziehung an und stellt gleichzeitig sicher, dass eine weitgehende Einheit erhalten bleibt. In ihm sind die Aufteilung der natürlichen Ressourcen, das Prinzip der gegenseitigen Hilfeleistung bei bewaffneten Konflikten und vor allem die Freizügigkeit im Güter- und Personenverkehr festgelegt. Ein Abkommen zum Grenzverlauf der Seegrenze wurde im März 2015 ausgehandelt und im April 2016 unterzeichnet. Nach dem Hurrikan Irma wurde eine enge Zusammenarbeit zwischen Frankreich und den Niederlanden im Hinblick auf den Wiederaufbau der Insel beschlossen. Dies führte insbesondere im August 2020 zu einem Kooperationsabkommen zwischen unseren Streitkräften auf dem Land-, See- oder Luftweg im Falle eines Hurrikans auf der Insel St. Martin sowie zur Unterzeichnung eines Abkommens über die gemeinsame Grenze am 27. Mai 2023. Dieses Abkommen zum Grenzverlauf beendet somit den ältesten Grenzkonflikt Frankreichs, der seit 1648 bestand.
Am 15. Juni 2023 fand in Den Haag ein vierseitiges Kooperationstreffen zwischen niederländischen und französischen Regierungsvertretern, der Gemeinde St. Martin und der Regierung von Sint Maarten statt.
Stand: Juli 2023