Porträt dreier Frauen, die derzeit Diplomatinnen sind

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Warum haben sie sich für den Diplomatenberuf entschieden? Wie kann die Stellung der Frauen innerhalb des Ministeriums gefördert werden? Und was ist die größte Herausforderung für die französische Außenpolitik in den kommenden Jahren? Eine Botschafterin, eine Abteilungsleiterin und eine Generalkonsulin haben sich bereit erklärt, uns ihre persönliche Erfahrung und ihre Weltanschauung mitzuteilen.

Hélène Duchêne

Hélène Duchêne ist französische Botschafterin bei der NATO, einer multilateralen politisch-militärischen Organisation, deren Grundlagen die Solidarität zwischen ihren Mitgliedern und die gemeinsame Verteidigung sind. Frau Duchêne beschreibt die Organisation als eine sehr männliche Welt, wobei sich die Dinge jedoch verändern, da von 29 Botschaftern derzeit sechs Botschafterinnen sind. Die gegenwärtige Lage erscheint ihr gleichzeitig interessant und schwierig, da die Vereinigten Staaten in letzter Zeit den Wert des Multilateralismus in Frage stellen und Russland sich als Markenzeichen seines neuen Engagements auf der Weltbühne der Gewalt bedient.

Weshalb haben Sie sich für den Diplomatenberuf entschieden? Haben bestimmte Persönlichkeiten innerhalb der Diplomatie ihren beruflichen Werdegang inspiriert?

Ich bin aus europäischer Überzeugung Diplomatin geworden. Aufgewachsen bin ich in Lothringen, einer von zwei Weltkriegen tief gezeichneten Region. In meiner Kindheit führten meine Spaziergänge oft an Kriegsgräbern oder früheren Depots der amerikanischen Streitkräfte vorbei. Nicht selten fand man in einem nahegelegenen Wald eine Granate. Mein Vater erzählte von seiner Gefangenschaft in Deutschland und meine Mutter von Frankreich in der Besatzungszeit. Ich wurde im Jahr 1963 geboren, dem Jahr der Unterzeichnung des Élysée-Vertrags, und bin mir des unermesslichen politischen Willensakts bewusst, der notwendig war, um die deutsch-französische Versöhnung zu fördern und ein gemeinsames Projekt im Dienst des Friedens, wie Europa es ist, aufzubauen.

Ich bin Diplomatin geworden, um mit meinen bescheidenen Kräften zum Aufbau Europas und zur Völkerverständigung beizutragen. Wahrscheinlich habe ich deshalb der multilateralen Diplomatie, der deutsch-französischen Zusammenarbeit und der Kulturdiplomatie viele Jahre gewidmet. Ich bin begabten Diplomaten begegnet, deren Engagement Respekt einflößte. Ich denke hier insbesondere an Isabelle Renouard, die Leiterin der Abteilung für Auslandsfranzosen war. Ich habe sie am Werk gesehen, als sie im Jahr 1991 den Krisenstab für die Rückkehr unserer Staatsangehörigen aus Kuwait leitete.

Wie lässt sich die Stellung der Frauen innerhalb des Ministeriums am Besten fördern?

Man muss sich aktiv dafür einsetzen und darf nicht naiv sein. Das Ministerium am Quai d’Orsay war bis vor kurzem eine sehr männliche Welt, wo einige wenige Frauen toleriert wurden, aber keinen Zugang zu den wesentlichen Aufgaben erhielten. Das ist weitgehend noch heute der Fall – man bedenke, dass noch nie eine Frau die Funktion der Leitung des Ministerbüros, des Generalsekretärs im Ministerium oder des Generalinspekteurs ausgeübt hat. Es wird noch einiger Zeit bedürfen, bis wir zu einer wahrhaftigen Arbeitsteilung gelangen. Ich denke, dass die gegenseitige Hilfe unter Frauen systematisch gefördert werden muss, die Solidarität zwischen den Generationen, man muss den Frauen gegen die Selbstzensur helfen. Man muss ihnen aber auch sagen, dass für sie alles etwas schwieriger ist, und dass sie kämpfen müssen. Ich hatte die Freude, vier Jahre lang den Verein Femmes et Diplomatie (Frauen in der Diplomatie) zu leiten, der ein Tutorinnensystem eingerichtet sowie die Entwicklung eines Netzwerks und die Schaffung von günstigen Arbeitsbedingungen für weibliche Diplomaten gefördert hat. Der Weg ist allerdings noch lang, und Rückschläge sind möglich.

Worin liegt Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung der französischen Außenpolitik in den kommenden Jahren?

Die wesentliche Herausforderung für die Außenpolitik Frankreichs ist meiner Meinung nach, einen Weg zu finden, seinen Werten treu zu bleiben, sowie sich die Mittel und die Autorität zu bewahren, um auf der internationalen Ebene für diese Werte einzutreten. Heutzutage stellen der wachsende Populismus und die identitäre Abschottung ein Zersplitterungsrisiko für die Weltordnung dar. Wir müssen unsere Werte bekräftigen und mit den Ländern, die sie teilen, Koalitionen bilden, um ihnen soviel Gewicht wie möglich zu verleihen.


Agnès Romatet-Espagne

Die derzeitige Leiterin der Abteilung Unternehmen, internationale Wirtschaft und Tourismusförderung, Agnès Romatet-Espagne, ist am 4. Juli 1983 in den auswärtigen Dienst eingetreten, nachdem sie das „Petit concours“ (kleine Auswahlverfahren) bestanden hatte (es hieß damals „concours de secrétaire adjoint des affaires étrangères“). Ihr Credo ist heute, den wirtschaftlichen Interessen Frankreichs zu dienen und dafür zu sorgen, dass die Errungenschaften der letzten fünf Jahre nicht aufgrund von kleinkarierten Querelen auseinandergenommen werden. Was ihr an ihrer Arbeit gefällt? Auf große und kleine Unternehmen zuzugehen, Produktionsstätten zu besuchen, all denen helfen zu können, die nach Exzellenz streben und ihre Leidenschaft in den Dienst ihres Berufs und ihrer Firma stellen. Es ist ihr eine große Befriedigung, ihnen behilflich sein zu können und dazu beizutragen, Auswege aus Sackgassen zu finden. Außerdem ist die Entwicklung der touristischen Attraktivität Frankreichs eines ihrer Steckenpferde geworden.

Weshalb haben Sie sich für den Diplomatenberuf entschieden? Haben bestimmte Persönlichkeiten innerhalb der Diplomatie ihren beruflichen Werdegang inspiriert?

Meine Vorfahrinnen, zu denen viele starke Frauen gehörten, haben meine ursprüngliche Entscheidung sehr beeinflusst. Meine im Jahr 1937 verstorbene Großmutter hatte nach dem Ersten Weltkrieg fünf Jahre in Argentinien gelebt, wo sie laut Familienlegende faszinierende Abenteuer erlebte. Meine Urgroßtante, ein junges Mädchen aus gutem, jedoch armem Hause, war als Hauslehrerin losgezogen und hatte die letzten dreißig Jahre ihres Lebens der Erziehung einer türkischen Familie mit engen Verbindungen zu Atatürk gewidmet. Tatsächlich ist sie in der christlichen Abteilung des Friedhofs in Ankara beerdigt. Eine Freundin meiner Eltern hat mich ebenfalls inspiriert. Sie war zunächst als Dienstmädchen nach Paris gekommen, erhielt dann durch die kommunistische Partei „Bildung“, tippte für Céline, dessen Assistentin sie war, das Manuskript von Voyage au bout de la nuit (Reise ans Ende der Nacht), nahm an der Seite ihres von der französischen Sektion der sozialistischen Arbeiterinternationale gewählten Mannes am Reichsparteitag in Nürnberg teil und wurde als Widerstandskämpferin deportiert. Diese Persönlichkeiten haben sich alle durch den Ruf des Auslands entwickelt. Daraus entstand für mich das Bild einer idealen Karriere. Dieses Interesse an dem Ausland, dem Anderen, kommt bei mir auch von den Lebensgeschichten der großen Entdecker des 19. Jahrhunderts wie René Caillié, deren Abenteuer ich früher leidenschaftlich verschlang. Diese Helden und mythischen Figuren zogen los, um eine Welt zu erkunden, die noch nicht gänzlich bekannt war. Ich träumte von Valparaiso und anderen exotischen Reisezielen.

Ich war auch fasziniert von den starken Persönlichkeiten, die die Geschichte beeinflusst haben, die Politiker und Diplomaten. Wahrscheinlich war der Beitrag der Diplomaten zur französischen Geschichte ein Gebilde meiner Fantasie, dies hat jedoch zu meinem glorreichen Bild der Diplomatie beigetragen.

Parallel dazu verbindet mich eine starke Familientradition mit dem öffentlichen Dienst: Man bedient sich nicht, man dient zuerst den anderen. Deshalb war es für mich selbstverständlich, in den öffentlichen Dienst einzutreten. Diplomat zu sein ist der aufregendste Beruf der Welt. Wer kann schon wie wir zwanzig Leben in einem leben?

Wie lässt sich die Stellung der Frauen innerhalb des Ministeriums am Besten fördern?

Vor zehn Jahren hätte ich Ihnen geantwortet, dass diejenigen, die es verdienten, ihren Kompetenzen und Talenten entsprechend befördert werden würden. Ich habe meine Meinung geändert, als ich an die Autorité des marchés financiers (französische Finanzmarktaufsicht) abgeordnet wurde. Ich war dort, als der Gesetzentwurf für 40 % Frauen in den Aufsichtsräten mit den Parlamentariern, die ihn inspiriert hatten, besprochen wurde. Dieses Thema widerstrebte mir zunächst. In den Gesprächen mit den männlichen Unternehmensleitern – wir befanden uns damals mitten in der Finanzkrise – konnte ich jedoch die erwiesenen Zusammenhänge zwischen „männlichem“ Verhalten und übermäßiger Risikobereitschaft, insbesondere in den Handelsräumen, ermessen. Parallel dazu haben Studien gezeigt, dass ein Zusammenhang zwischen weiblicher Unternehmensleitung und Leistung der Unternehmen besteht. Frauen waren also wahre Trumpfkarten, doch aufgrund der Endogamie der Aufsichtsräte, deren Mitglieder sich aus pawlowschem Reflex oder aus Konformismus gegenseitig ernannten, wurde nie an sie gedacht. Da man die Türen nicht nur halb öffnen konnte, musste die Teilnahme der Frauen vorgeschrieben werden, auch über Quotenregelungen. Das bereut heute kein einziger Unternehmensleiter.

Eine wahre Gleichstellung werden wir dennoch erst dann erreichen, wenn die sprachlichen Nuancen in den Berufsbezeichnungen oder in der Einschätzung der Persönlichkeit von Männern und Frauen sowie die Selbstzensur aussterben. Wenn die Arbeit einer Frau einfach nur nach ihrer Qualität und sonst nichts beurteilt wird.

Schließlich empfehle ich den Frauen, im positiven Sinne „gierig“ zu sein, nämlich sowohl ein Familienleben als auch ein Berufsleben zu wollen!

Worin liegt Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung der französischen Außenpolitik in den kommenden Jahren?

Sich die Mittel ihres Anspruchs zu bewahren, den Anspruch auf Frankreichs Universalität und Unabhängigkeit. Dafür bedarf es insbesondere eines Netzwerks und eines Haushalts, die das leisten können, natürlich schließt dies auch unsere öffentliche Entwicklungshilfe ein. Und dann möchte ich noch hinzufügen: Die Fähigkeit, zu überraschen. Die Initiative behalten, selbst wenn dies bedeutet, die vorherrschenden Ideen nicht zu unterstützen, weil wir Frankreich sind und uns das leisten können.


Florence Caussé-Tissier

Florence Caussé-Tissier wurde im September 2016 zur Generalkonsulin in Rabat ernannt. Sie beantwortet hier unsere Fragen zu ihrem Beruf, der sie begeistert: Verwaltung, Betreuung und Sicherheit der französischen Gemeinde, hohes Visaaufkommen (das auf seine Weise von der Lebendigkeit der bilateralen Beziehungen zeugt), Absprachen mit der Botschaft zu kulturellen, wirtschaftlichen u.a. Themen… Diese Aufgaben lassen sich nur erfüllen, wenn man sich vor Ort gut auskennt und ein möglichst großes Netzwerk von Ansprechpartnern aufbaut, das sowohl aus Franzosen als auch aus Marokkanern besteht. Jede Begegnung ist wie ein neues Fenster, das sich öffnet! Aktuell geht es in ihrer Arbeit auch um die Vorbereitung der Präsidentschafts- und Parlamentswahlen. Wie so oft im konsularischen Beruf handelt es sich um Teamarbeit. Eindeutig spannend.

Weshalb haben Sie sich für den Diplomatenberuf entschieden?

Wegen der Andersartigkeit. Ich habe mich für den Diplomatenberuf entschieden, um dem Staat zu dienen und ihn außerhalb seiner Grenzen zu vertreten, mich der Welt zu öffnen, Wege zu wählen, die zu Begegnungen führen, um Meinungen zu verstehen, den Dialog zu suchen. Um einen bescheidenen Beitrag zu den gemeinsamen Bemühungen einer geteilten Verantwortung für den Lauf der Welt zu leisten. In der Tat scheint mir eine zweite Frage von der ersten untrennbar zu sein: Wie wird man Diplomat? In gewisser Weise führt das zu einer ganzen Bandbreite von zu erwerbenden Fähigkeiten: Verhandeln und reagieren können, sein Team für sich gewinnen, sich anpassen, einen anderen Blickwinkel verstehen, überzeugen, den passenden Tonfall finden, insbesondere wenn Uneinigkeit herrscht… Dies beleuchtet auch in schöner Weise ganz konkret, jenseits der Zweifel oder der zu überwältigenden Hindernisse, welche Arbeit hier zu leisten ist. So gibt es auf meinem derzeitigen Posten manchmal feierliche und rührende Momente: Ich nehme an der Seite von marokkanischen Veteranen an der Gedenkfeier am 11. November (Ende des Ersten Weltkriegs) teil, heiße neue Mitbürger in unserer Staatsangehörigkeit willkommen… Die Arbeit außerhalb des Rampenlichts erweist sich als ebenso wichtig, was dann Selbstlosigkeit und Bescheidenheit erfordert, wenn es zum Beispiel darum geht, Mitbürger in Notsituationen bei ihren Behördengängen zu unterstützen.

Haben bestimmte Persönlichkeiten innerhalb der Diplomatie ihren beruflichen Werdegang inspiriert?

Ich würde eher sagen, dass es bestimmte Gesichter waren. Im Verlauf meines Werdegangs haben mich die Erfahrung meiner Kollegen, sowohl Franzosen als auch Ausländer, und ihre Art, mit Situationen umzugehen, oft inspiriert, auch ihre große Neugier, besser sehen, wissen und verstehen zu wollen. In gewisser Weise orientiere ich mich immer noch an ihrem Fachwissen, ihrer Energie, ihrer Gradlinigkeit, ihrem Enthusiasmus.

Wie lässt sich die Stellung der Frauen innerhalb des Ministeriums am Besten fördern?

Nicht nachlassen, weil nichts endgültig errungen ist. Es müssen auch die Maßnahmen der letzten Jahre fortgeführt werden: Frauen dazu ermuntern, in den auswärtigen Dienst einzutreten, um die Nachfolgerinnen von morgen vorzubereiten. Entsprechend ihren jeweiligen Schwerpunkten ist durch die Vorausplanung ihrer Laufbahnen und Kompetenzen ihr rechtmäßiger Platz anzuerkennen. Die Gleichstellung in den Auswahl- und Mitbestimmungsgremien ist zu fördern. Wesentlich erscheint mir, dass diese Bemühungen gemeinsam unternommen werden, zielführend, im Geist der Solidarität, über die Gräben hinweg, denen wir heute noch begegnen, und jenseits der diffusen Wahrnehmung eines Hochstapler-Syndroms. Die Modernisierung des Quai d’Orsay geht auch die Frauen an, sie tragen zur Fortentwicklung der Arbeitsmethoden bei, bieten einen anderen Blickwinkel. Wie wäre es, wenn alle Männer die besten Förderer der Stellung der Frauen innerhalb des Ministeriums würden?

Worin liegt Ihrer Meinung nach die größte Herausforderung der französischen Außenpolitik in den kommenden Jahren?

Die wesentliche Herausforderung liegt darin, die Welt so zu verstehen, wie sie heute ist: Extrem zersplittert – sie wirft uns ein Fraktalbild zurück. Es gibt zahlreiche Schattenbereiche: Den wachsenden Populismus, Verschiebungen des Machtgefüges, neue Spiele zwischen den Mächten, Veränderung der Konflikte… Dort, wo sie sichtbar sind, erscheinen starke Spannungsfelder zwischen enttäuschten Hoffnungen und Rachegelüsten. In diesem Zusammenhang, und nachdem sich Europa derzeit mit seiner Neuerfindung schwer tut, müssen wir bei gleichzeitiger Verteidigung unserer Interessen auch weiterhin für unser Knowhow werben und es vor allem anpassen, um ein Land zu bleiben, an das andere sich wenden.

Und wie werden die Frauenrechte auf der internationalen Ebene geschützt?

Frankreich hat sich dafür eingesetzt, dass in die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung, die im September 2015 anlässlich der 70. Generalversammlung der Vereinten Nationen in New York verabschiedet wurde, ein Ziel zur Gleichstellung von Frauen und Männern aufgenommen wurde.

Mit der Verabschiedung des 5. Ziels, „Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen“, wurde dies verwirklicht. Es betrifft den Kampf gegen Diskriminierung, gegen Gewalt, und verurteilt schädliche Vorgehensweisen wie Kinderehe, Zwangsehe und weibliche Genitalverstümmelung.

Dieses Ziel sieht außerdem einen allgemeinen Zugang zu Rechten und zur sexuellen und reproduktiven Gesundheit vor. Desweiteren werden die Frauenrechte transversal in die anderen Ziele integriert, insbesondere in die Bildung, die Armutsbekämpfung, den Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen, die Gesundheit, den Arbeitsmarktzugang, den Kampf gegen den Klimawandel, die nachhaltige Entwicklung und die Mittel zur Umsetzung.

Überarbeitung: März 2017