Indopazifik: 9 Fragen zum besseren Verständnis der Strategie Frankreichs in der Region

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Was versteht man unter indopazifischem Raum? Warum ist Frankreich dort involviert? Hat es eine Strategie für die Region entwickelt? Christophe Penot, der für den Indopazifik zuständige Botschafter, beantwortet diese Fragen und stellt in groben Zügen die Strategie Frankreichs vor.

1/ Was versteht man unter Indopazifik?

Indopazifik ist ein geopolitscher Begriff. Er beruht auf der Feststellung, dass diese gesamte, seit einem Jahrzehnt tiefgreifenden strategischen Umbrüchen unterworfene Region sich gemeinsamen Herausforderungen gegenübersieht.
Bezeichnend für die Gegend ist ihre maritime Dimension. De facto bildet der indopazifische Raum den neuen Dreh- und Angelpunkt der Welt, an dem sich 60 % des weltweiten BIP und 4,5 Milliarden Menschen konzentrieren. In dieser Region entscheidet sich auch in weiten Teilen die Zukunft einer multilateralen, regelbasierten Ordnung sowie unsere Fähigkeit, auf große zeitgenössische Herausforderungen wie die Klimakrise, den Schutz der Biodiversität oder die globale Gesundheit zu reagieren.

2/ Warum hat Frankreich für diese Region eine Strategie entwickelt?

Die 2018 definierte französische Strategie im Indopazifik ist eine Antwort auf Herausforderungen für die nationale Souveränität, stellt doch Frankreich selbst ein indopazifisches Land dar, denn 7 seiner 13 überseeischen Departements, Regionen und Körperschaften sind über den indischen Ozean und den Südpazifik verteilt.
Überdies hat Frankreich, ebenso wie die Europäische Union (EU), dort ureigene wirtschaftliche, politische und strategische Interessen zu verteidigen. Die gegenwärtigen Entwicklungen im Indopazifik wirken sich unmittelbar auf unseren Wohlstand und unsere Sicherheit aus.

3/ Was sind Frankreichs Prioritäten?

Unsere Strategie zielt auf die Wahrung einer offenen, auf die Einhaltung internationalen Rechts und der Prinzipien des Multilateralismus gegründeten und von jeglichem Zwang befreiten Region ab. Frankreich verfolgt eine mehrdimensionale Herangehensweise, die gleichzeitig folgende Elemente beinhaltet:

  • eine sicherheitspolitische und militärische Dimension
  • Freiheit der Schifffahrt
  • Konnektivität
  • eine wirtschaftliche und kommerzielle Dimension
  • eine umweltbezogene Dimension

Die französische Strategie lehnt die Bildung verschiedener Lager ab, da sie zu einer Verstärkung der Spannungen im gesamten Indopazifik und ganz besonders in Ostasien führen würde.

4/ Wer sind die wichtigsten Partner Frankreichs in der Region?

Es wurden enge Partnerschaften mit zahlreichen Ländern der Region aufgebaut.
So zum Beispiel mit unseren langjährigen strategischen Partnern Indien und Japan, mit denen sich unsere bilaterale Zusammenarbeit zum Indopazifik schnell weiterentwickelt hat. Erwähnenswert sind Partnerschaften auf dem Gebiet der maritimen Sicherheit und Gefahrenabwehr, der Verwaltung von Meeres- und Umweltressourcen sowie im Bereich globaler Herausforderungen.

In Südostasien sind wir 2011 mit Indonesien, 2012 mit Singapur und 2013 mit Vietnam strategische Partnerschaften eingegangen. Eine bedeutende Zusammenarbeit zu für diese Region relevanten Themen besteht ebenfalls mit Malaysia, Südkorea und Neuseeland.

5/ Richtet sich die indopazifische Strategie gegen China?

Die französische Strategie im Indopazifik ist gegen kein Land gerichtet. Dabei berücksichtigt sie jedoch die aus der wachsenden Selbstbehauptung Chinas, insbesondere auf militärischem Gebiet, entstehenden Herausforderungen.

Frankreich teilt in Bezug auf China den dreigliedrigen Ansatz der EU. China ist für uns ein wichtiger Partner, mit dem wir im Hinblick auf globale Herausforderungen wie Klimawandel oder Gesundheit zusammenarbeiten müssen. Gleichzeitig ist es ein Wettbewerber in den Bereichen Wirtschaft und Handel. Hier bemühen wir uns um eine ausgewogenere Beziehung und betonen unser Bekenntnis zur Rechtsstaatlichkeit. Bei alldem ist China aber auch ein „systemischer Rivale“, denn es vertritt eine Sicht der internationalen Ordnung und macht sich für ein Modell stark, das sich, speziell in Menschenrechtsfragen, grundlegend von dem unseren unterscheidet.

6/ Welche Rolle spielen aus unserer Sicht die Vereinigten Staaten?

Die Vereinigten Staaten sind unsere Verbündeten und zugleich ein wichtiger Akteur im Indopazifik, mit dem Frankreich sich weiterhin eng abstimmen möchte. Die AUKUS Affäre hat gezeigt, dass sich die Herangehensweise unserer beiden Länder bisweilen unterscheiden mag. Dennoch streben wir nach einer Komplementarität unserer jeweiligen indopazifischen Strategie, verfolgen wir doch beide das Ziel einer offenen und stabilen Region, in der geltendes Recht gewahrt wird.
Die vom Staatspräsidenten und dem Minister für Europa und auswärtige Angelegenheiten mit ihren US amerikanischen Amtskollegen im Herbst 2021 geführten Gespräche haben zu einer Wiederaufnahme konstruktiver Beziehungen zwischen Frankreich und den USA geführt.
Diese haben damit die Bedeutung der von Frankreich und der EU, die sich voll und ganz in der Region einzubringen gedenken, im Indopazifik verfolgten Strategien anerkannt.

7/ Was kann Frankreich im gegenwärtigen Kontext strategischen Wettbewerbs beitragen?

Die Absicht Frankreichs und Europas besteht darin, sämtlichen Akteuren im Indopazifik ein alternatives Modell aufzuzeigen, das nationale Souveränität respektiert, mit internationalem Recht konform geht und die Freiheit der Schifffahrt gewährleistet. Dabei soll das Spiel des Kräftemessens, einschließlich im Bereich der militärischen Machtverhältnisse, nicht geleugnet, gleichzeitig aber auch nicht auf Spannungen und Polarisierung abgehoben werden.

8/ Wie passt unsere Strategie zum Vorgehen der Europäischen Union?

Frankreich hat sich stark für eine europäische Strategie im Indopazifik eingesetzt, die dann am 16. September 2021 in einer gemeinsamen Mitteilung der Europäischen Kommission und des Hohen Vertreters der Union für Außen- und Sicherheitspolitik vorgestellt wurde. Deren wesentliche, mit unserer Strategie übereinstimmende Ziele bestehen in einer Förderung von Sicherheit und Frieden, eines echten Multilateralismus und einer internationalen Ordnung, die auf geltenden Gesetzen, wirtschaftlichem Wohlstand und der Bewahrung globaler Kollektivgüter beruht. Im Rahmen des kommenden französischen Vorsitzes im Rat der Europäischen Union, der am 1. Januar 2022 beginnt, stellt die Umsetzung dieser Strategie eine Priorität dar.

9/ Ist die Strategie Frankreichs aufgrund der Einstellung des australischen U Boot Programms gefährdet?

Die von Australien im September 2021 ohne vorherige Absprache getroffene Entscheidung, das mit Frankreich vereinbarte Programm zum Kauf von U Booten zu beenden, hat zu einer Neubewertung der strategischen Partnerschaft unserer beiden Länder geführt. Doch die geografischen Gegebenheiten lassen sich nicht einfach ändern: Frankreich ist und bleibt eine Nation des Indopazifiks. Frankreich und seine europäischen Partner müssen mehr denn je in einer für ihre Interessen – seien diese ökonomisch, politisch oder strategisch – ausschlaggebenden Region als Akteure auftreten. Frankreichs Einsatz sowie die Weiterentwicklung seiner Partnerschaften mit den Ländern dieser Region werden fortgeführt.

Letzte Änderung: November 2021