Multilateralismus: für Frankreich ein Handlungsgrundsatz
Während der Multilateralismus eine beispiellose Krise durchlebt und von zahlreichen Akteuren infrage gestellt wird, setzt sich Frankreich dafür ein, ihn zu stärken und zu erneuern.
Was genau bedeutet Multilateralismus?
Multilateralismus bedeutet, Angelegenheiten, die zahlreiche Akteure betreffen (Frieden, Klima und Umwelt, Terrorismusbekämpfung, Gesundheit usw.) gemeinsam und abgestimmt anzugehen. Der Multilateralismus, so wie er im Laufe der vergangenen siebzig Jahre entwickelt wurde, deckt mehrere Ziele ab.
Denn der Multilateralismus ist die Herrschaft des Rechts, der Austausch der Völker, die Gleichheit von jedem und jeder unter uns, es ist das, was uns erlaubt, Frieden zu schaffen und alle Herausforderungen anzunehmen.
Staatspräsident Emmanuel Macron, Generalversammlung der Vereinten Nationen, September 2017
Der Multilateralismus ist ein Instrument für Frieden. Die internationale Bühne setzt sich aus zahlreichen Nationen mit unterschiedlichen und manchmal gegensätzlichen Interessen zusammen. Es ist demnach grundlegend, die eventuell entstehenden Rivalitäten zu „organisieren“, um zu verhindern, dass das Gesetz des Stärkeren überhandnimmt. Der Multilateralismus ist der beste Weg, die internationalen Rivalitäten in Schach zu halten.
Konkret haben Forschungen gezeigt, dass der Einsatz der UNO für die Schaffung und Sicherung des Friedens sowie für die Vorbeugung von Konflikten entscheidend zu der Abnahme der Zahl von Konflikten beigetragen hat, die seit den Neunzigerjahren weltweit beobachtet werden kann.
Der Multilateralismus ist außerdem ein Instrument für Prävention und Schutz. Sei es zur Beilegung von Konflikten oder zur Begegnung von globalen Herausforderungen, Ziel des Multilateralismus ist der Schutz des gemeinsamen Erbes: Frieden, Werte und öffentliche Güter (Klima, Biodiversität usw.). Angesichts der Herausforderungen, die mehrere oder sogar alle internationalen Akteure betreffen, kann dieser Schutz nur durch den multilateralen Ansatz umgesetzt werden.
Beispielsweise schützen und fördern die Vereinten Nationen weltweit die Menschenrechte durch die Anwendung von 80 Verträgen und Erklärungen. Sie legen außerdem die globale Umweltagenda fest und unterstützen die Länder bei der Durchführung politischer Umweltmaßnamen.
Der Multilateralismus ist ein konkretes und lokales Instrument. Das multilaterale System, so wie es seit siebzig Jahren entwickelt wird, hat zur Einrichtung zahlreicher internationaler Institutionen geführt, die sich tagtäglich für das Gemeinwohl einsetzen.
Seit dem ersten Friedenssicherungseinsatz der Vereinten Nationen beteiligten sich über eine Million Frauen und Männer an diesen bisher 71 Einsätzen, um die am stärksten gefährdeten Menschen zu schützen und Leben zu retten. Darüber hinaus versorgen die Vereinten Nationen 91,4 Millionen Menschen mit Nahrung und humanitärer Hilfe. In Sachen Gesundheit helfen die Vereinten Nationen jeden Monat über 2 Millionen Frauen, die Schwierigkeiten in Bezug auf Schwangerschaft und Geburt zu überwinden. Außerdem decken sie den Impfstoffbedarf von 45 % der Kinder weltweit ab.
Schließlich kommt der Multilateralismus bei zahlreichen Themen des täglichen Lebens zum Einsatz. Als Beispiel können wir mehrere spezialisierte Organisationen der Vereinten Nationen nennen, wie die Internationale Fernmeldeunion (ITU), die Weltpostunion, die Internationale Zivilluftfahrt-Organisation (ICAO) und die Internationale Seeschifffahrtsorganisation (IMO). So hat die Internationale Organisation für Normung (ISO) beispielsweise über 22 000 internationale Normen veröffentlicht. Die ISO-Normen, die von Experten aus der ganzen Welt erarbeitet werden, decken nahezu alle Industriesektoren ab – Technologie, Ernährungssicherheit, Landwirtschaft und Gesundheit – und ermöglichen die Gewährleistung von sicheren, zuverlässigen und qualitativ hochwertigen Produkten und Dienstleistungen.
Die aktuelle Infragestellung des Multilateralismus
Das multilaterale System, so wie es nach Ende des Zweiten Weltkriegs konzipiert wurde, durchlebt eine schwere Krise. Die Vorstellung eines internationalen regelbasierten Systems als bester Garant für unsere Sicherheit und unseren Wohlstand ist keine allgemeine Selbstverständlichkeit mehr.
Für bestimmte Akteure steht vielmehr die Machtpolitik im Vordergrund. Sie sei der beste Weg, ihre Interessen zu befriedigen. So wird die multilaterale internationale Ordnung von den Verfechtern des Gesetzes des Stärkeren zunichte gemacht. Anderen zufolge sei das aktuelle multilaterale System zu kostspielig und ineffizient.
Sich für einen starken und wirksamen Multilateralismus einsetzen
Die Staaten haben nicht nur eigene, nationale sondern auch zahlreiche gemeinsame Interessen.
Der Großteil der Herausforderungen, denen das internationale System gegenübersteht, bedarf einer kollektiven Reaktion. Diese Herausforderungen erfordern also mehr Multilateralismus, und zwar einen gestärkten und erneuerten Multilateralismus. In Sachen Repräsentativität, Inklusion und Wirksamkeit sind tatsächlich zahlreiche Verbesserungen notwendig.
Es geht darum, die internationalen Normen, Übereinkünfte und Institutionen, die derzeit dem Druck der Weltbühne unterliegen, zu schützen. Das gilt insbesondere für den Bereich der Menschenrechte, des Völkerrechts oder auch des Kampfes gegen den Klimawandel.
Schließlich können alle globalen Herausforderungen, vor denen wir heutzutage stehen, langfristig gesehen negative Folgen haben. Demnach ist der Multilateralismus der beste Weg, die künftigen Generationen zu schützen.
„Eine Zukunft, wie wir sie wollen“
Anlässlich des 75. Jubiläums der Organisation der Vereinten Nationen, initiierte das VN-Sekretariat im Januar 2020 eine weltweite Debatte über die Rolle der internationalen Zusammenarbeit beim Aufbau einer besseren Zukunft für alle, unter Berücksichtigung der wichtigsten globalen Trends. Diesbezüglich wurde eine einminütige Online-Umfrage entwickelt, an der alle Bürgerinnen und Bürger der Welt teilnehmen können.
Ziel dieser Umfrage ist es, der UNO bei ihrer Reaktion auf die weltweiten Veränderungen zu helfen, um so eine sicherere, gerechtere und nachhaltigere Welt zu schaffen.
Die Allianz für den Multilateralismus
Im Februar 2019 haben Deutschland und Frankreich gemeinsam die Allianz für den Multilateralismus ins Leben gerufen. Diese Allianz ist ein Netzwerk von Akteuren, die die gleichen Sichtweisen teilen und sich gemeinsam darum bemühen wollen, nationale Interessen und die Verteidigung der gemeinsamen Güter der Menschheit miteinander zu vereinen. Ohne dabei jemanden auszuschließen, umfasst sie Partner aus der ganzen Welt: demokratische Mächte, die diese multilaterale Sichtweise teilen.
Bei der Allianz handelt es sich nicht um ein formelles Gremium, sondern um ein Netzwerk, das die Bildung flexibler Bündnisse ermöglicht. Zur Erreichung ihrer Ziele stützt sie sich auf konkrete Initiativen in verschiedenen Themenbereichen: Menschenrechte, Völkerrecht, Cyberspace, Zukunftstechnologien, Abrüstung und Waffenkontrolle, globale öffentliche Güter und Stärkung der internationalen Institutionen.
Die Allianz unterhält außerdem einen Dialog mit den nichtstaatlichen Akteuren, die bei der Begegnung der sich uns stellenden Herausforderungen unverzichtbare Interessenträger und Partner sind.
Weiterhin werden neue Initiativen und Veranstaltungen zu den Hauptthemen der Allianz ins Leben gerufen.
Weitere Informationen über die Allianz für den Multilateralismus
(Stand: September 2021)